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Monat: September 2018

Kollektives Trauma – ganz aktuell

Kollektives Trauma – ganz aktuell

In den letzten Wochen waren die Vorfälle in Chemnitz Gegenstand meiner Achtsamkeitspraxis, und dabei bin ich auf die Symptome, die ein Kollektives Trauma mit sich bringt, gestoßen. Ich habe meditativ tief in diese Gewalt, Hetze und Hass geschaut und intensiv geguckt, was löst das in mir aus, diese Bilder der Phalanx von Nazis und die Stimmen dazu, auch die Stimmung.

Erinnerungen durch Bilder

In einer Unstimmigkeit mit einer Freundin wurde mir plötzlich klar, dass in ihr und mir und vermutlich in den allermeisten Menschen ein kollektives Trauma berührt ist. Die Bilder erinnern so frappierend an den Nazionalsozialismus, die geistige faschistische Haltung ist identisch, die Hetzjageden auf Menschen sind identisch, die Rohheit, Gewaltverherrlichung und gefühlte Legitimation dazu sind absolut identisch. Der völlig fehlende Schutz durch den Staatsapparat. Das gefühlte Einverständnis des Staates damit. Wenn man nicht traumatisiert wäre, würde man weise reagieren und das geltende Recht anwenden.

Außen – und/oder Innenwahrnehmung fehlen

Traumareaktionen zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass die Außen – und/oder Innenwahrnehmung fehlen oder gestört sind. Gehe ich davon aus, dass Politiker und auch PolizistInnen traumatisch berührt sind, dann erklärt es, dass sie nicht reagieren auf Straftaten wie Volksverhetzung und Hitlergruß. Sie fühlen gar nicht, wie unendlich bedrohlich es ist, was da geschieht.

Hambacher Wald – Gewaltsame Räumung von Baumhäusern

Die Störung der Außenwahrnehmung zeigt sich auch da, wo 4.000 Polizisten gewaltsam die Baumhäuser von 150 friedlichen Aktivisten im Hambacher Wald vornehmen.

Mitgefühl mit PolizistInnen

Ich stelle mir vor, ich bin Polizistin. Wenn ich mir vorstelle, ich sei mit fast 4.000 anderen PolizistInnen bewaffnet und voller schwerem Gefährt zu dieser Räumaktion beordert, dann hätte ich das Gefühl, da lauert ein schlimmer Feind und wir sind alle in riesiger Gefahr.

Mitgefühl mit einer Aktivistin

Ich stelle mir vor, ich sei eine Aktivistin, deren Baumhaus zerstört wird. Stelle mir vor, wie es sich anfühlt, dass meine Arbeit von 6 Jahren, diesen Wald zu schützen, zerstört wird. Ich stelle mir vor, ich sei die Aktivistin, die von einem Polizisten wie ein gemeingefährlicher Schwerverbrecher brutal im Gesicht gepackt wird. Wie ich zu Boden gedrückt und von weiteren 4 Polizisten immer weiter und weiter überwältigt werde, während ich gellend um Hilfe schreie. Ich weine bei dieser Vorstellung und welches Trauma sie davon trägt.

Waldspaziergang als Nahrung des Friedens

Gestern war ich in meinem „Hauswald“ in Belgien. Der ist dem Hambacher Wald etwas ähnlich, ein zauberhafter Mischwald. Ich hörte das Blätterrauschen. Ich lauschte dem Plätschern des Baches. Ich empfand so viel Frieden, den der Wald mir schenkte. Der Wald hatte so viel friedvolle Kraft für mich. Ich genoß das alles so sehr.

Da bricht das Herz

Dann stellte ich mir vor, in diesen friedvollen Wald kämen Räumfahrzeuge, 4.000 Polizisten mit diesen Massen an schwerem Gerät und noch dazu Baumfäller. Mein Herz bricht, wenn ich mir das vorstelle.

Respekt, Ehre, Anerkennung

Auch wenn das Recht auf Seiten der Polizei und des RWE ist – niemand hat das Recht, die Herzen von 150 Aktivisten zu brechen, sie zu behandeln, wie Schwerkriminelle Terroristen. Da sind idealistische werteorientierte Menschen. Sie geben ihr Leben dafür, einen Zauberhaften Wald zu retten.  Sie  brennen für Klimaschutz, der uns allen am Herzen liegen sollte. Ihnen gebührt Respekt, Ehre, Anerkennung und grenzenlose Unterstützung.

Claudia Iseler

 
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