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Autor: Claudia Iseler

Achtsamkeitspraxis zum Umgang mit Hass, Hetze und Gewalt

Achtsamkeitspraxis im Umgang mit Hass, Hetze und Gewalt

Vor ein paar Tagen war ich von den Vorgängen in Chemnitz so erschreckt, dass mir klar wurde, dass ich dringend eine Achtsamkeitspraxis im Umgang mit Hass, Hetze und Gewalt finden muss. Ich nahm wahr, dass ich selbst kurzfristig in einen Abgrund dunkelster emotionaler und geistiger Entgleisungen rutschte. Angesichts des Hasses, der Hetze und der Gewalt, der durch die Medien über unsere Bildschirme da zu uns herüberschwabbt, fühlte ich mich überfordert. Die Welle eines hassenden Mobs war für mich und meine Achtsamkeitspraxis für den Moment too much.

Ich wünschte mir „die Mauer“ wieder, und dann wünschte ich mir die Hasser und Hate-Crimer dahinter, wo sie machen können, was sie wollen, aber bitte nicht……hier, wo ich es sehen und erleben muss.

6 Schritte der Erkenntnis

Mit dem Licht der Achtsamkeit auf diese Gedanken erlebte ich Verwandlung im Innern und es wurde mir klar

  1.  dass ich selbst diese diskriminierende spaltende Struktur in mir trage und 
  2. dass ich – wie immer – bei mir selbst anfangen muss.
  3. in einem Zitat von Thich Nhat Hanh, dass wir beginnen müssen, den Terror – und rechte Hetze und Zusammenrottung in Gewalt und Hass IST Terror – in unserem eigenen Herzen zu befrieden.
  4. Der 4. Schritt war, mir selbst zu verzeihen, dass ich diese spaltenden Gedanken hatte und
  5. der 5. , zu sehen, anzuerkennen und zu akzeptieren, dass ich spaltende und hassende Gedanken diesem Mob gegenüber hatte und dass ich das gemacht habe,
  6. den 6. Schritt: dass gar nichts ungewöhnliches daran ist, Hass zu empfinden. Denn Hass ist nichts anderes, als die stärkste Form von Gedanken und Gefühlen, etwas abzulehnen, was sich unerträglich anfühlt. Ich habe den Anflug von Hass und Diskriminierung in mir als Zeichen genommen habe. Das Zeichen meines Inneren, „da ist etwas völlig gegen meine Werte, meine Ausrichtung und meine Gefühle von Menschlichkeit, Mitgefühl und Solidarität“ und dann habe ich mit dieser Erkenntnis auch wieder Abstand davon genommen.

Liebe und Hass

Eine Facebookfreundin schrieb mir als Antwort auf meinen Kommentar „Lass uns die Liebe in uns so verstärken, dass Hass keinen Platz mehr hat“. Nein. Auch das ist spaltend. Hass gehört zu unserer emotional- geistigen Grundausstattung als Reaktion auf unmenschliche oder unerträgliche Verletzungen. Hass braucht einen Raum, denn er ist ein Zeichen unserer Lebendigkeit und Verletzlichkeit.

Raum der Achtsamkeit

Dieser Raum muss ein Raum der Achtsamkeit sein, in dem Hass wahrgenommen wird. Das Licht der Achtsamkeit auf den Hass scheinen zu lassen macht möglich, tief die Ursachen des Hasses zu sehen: Grenzverletzung, unerträgliche seelische Verletzung, strikte Ablehnung. Wenn die Ursachen deutlich sind, kann ich als selbstwirksamer Mensch vom Hass sofort loslassen. Und als intelligenter Mensch tue ich das.

Mitgefühl und Anteilnahme

Eine weitere Erfahrung und tiefe Einsicht der vergangenen Woche ist: Ich las einen Post von Gregor Gysi, der sich voller Mitgefühl und Anteilnahme für die Angehörigen des Ermordeten jungen Mannes und Familienvaters in Chemnitz äußerte.

Mir fiel auf, dass ich in den Medien kein einziges solches Wort gelesen hatte. Auch nicht von den regierenden Politikern. Ich lass überall nur Worte über den Hass, die Hetze, die Gewalt und deren Verurteilung. Ich sah plötzlich diese Wahrheit aus den Weisheitslehren: Hass zerstört unsere Fähigkeit zu Mitgefühl. Die Medien und sozialen Medien sind wie ein aufgestachelter Wespenschwarm.

Gefühlt hatte der Hass von Chemnitz so eine große Macht, dass er – zum Glück nur punktuell – das Mitgefühl einer ganzen Nation zerstört hat.

Verloren im Hass

Mir selber wurde in dieser Woche meiner Achtsamkeitspraxis mit dem Phänomen von Hass, Hetzt und Gewalt klar, dass die Menschen, die einen „Mob von Chemnitz“ ausmachen, sich verlieren im Hass und sich dann im Hass verbinden. Diese so verbundenen Menschen haben jegliches Mitgefühl abgespalten oder in sich zerstört. Vielleicht haben sie die Fähigkeit zu Mitgefühl verloren. Oder sie haben diese Fähigkeit erst gar nicht entwickelt.

Sehnsucht nach Gemeinschaft

Plötzlich hat sich für mich der Blick verändert. Ich kann diese Menschen, die den Mob bilden,  sehen als eine – natürlich völlig fatale –  Gemeinschaft von Menschen, die Unerträglichkeit fühlen und so weit von ihrem Mitgefühl für sich selbst und für andere entfernt sind, dass sie Hass für die Lösung halten. Menschen, hassende Menschen, die diese menschlichen Bedürfnisse nach Verbundenheit haben, wie wir alle. Die das Bedürfnis nach Gemeinschaft haben. Die das Bedürfnis nach Gesehen werden haben.

Das hat meinen inneren Frieden wiederhergestellt. Wenigstens schon mal das.  

Einheit statt Spaltung

Wir sind alle EINS. Wir wollen alle glücklich sein. Wir wollen alle in Gemeinschaft verbunden sein. Wir sind alle an einem anderen Punkt auf diesem Weg. Und mache verlaufen sich dabei furchbar. Können wir, #Wirsindmehr , sie auf einen heilsamen Weg bringen?  Können wir eine heilsame  Sicht gewinnen, dass wir – bei allen Unterschieden und bei allem, was völlig inakzeptabel ist – auch alle ein Baum mit vielen Blättern und Ästen und Blüten sind? Können wir selbst die Veränderung in der Welt sein, die wir uns wünschen?

Frieden im Herzen

Ich wünsche uns allen Frieden im Herzen und die Kraft in unserem Herzen, das alles, was da geschehen ist und weiter geschieht, mit Liebe und Achtsamkeit im Herzen zu halten und daraus die Kraft zu Veränderung zu erhalten.

Claudia Iseler